Vor zwei Jahrzehnten erfreute sich eine ganz spezielle Spezies von Fußballern noch einer großen Population. Doch wie bei einer bedrohten Tierart oder einer Pflanze, deren Nutzen der Mensch nicht mehr für wichtig erachtet, wurde der natürliche Lebensraum des sogenannten echten Mittelstürmers eingeengt und zunehmend von einer neu entwickelten Art überflutet. So haben es Gerd Müllers Erben schwer, einen Platz in der Stammformation ihres Vereins zu finden.
Als falsche Neun wird der moderne Stürmertyp im Fachjargon bezeichnet. Robert Lewandowski, Harry Kane und Luis Suárez gelten als zeitgemäßer Gegenentwurf zum Spielertyp eines Roy Maakay vor einigen Jahren. Aber es gibt sie noch: die echten Knipser, die Vollblutstürmer, die immer richtig stehen und sinnbildlich mit verbundenden Augen den Ball im Tor versenken. Einen solchen Spielertyp verkörperte auch Alexander Christ.
An die Vergangenheitsform im Zusammenhang mit seiner Zeit als Aktiver muss sich Christ erst noch gewönnen. „Das wird wohl erst in einigen Wochen und Monaten so richtig ankommen“, vermutet er. In den vergangenen zwei Jahrzehnten traf wohl kaum ein Fußballer in Südbaden häufiger ins Schwarze als der selbstständige Versicherungskaufmann. „Alex ist ein echter Knipser. Er hat seine Tore gemacht, egal wo er war“, erinnert sich Dennis Bührer, Trainer des Oberligisten Bahlinger SC an gemeinsame Tage.
In zehn seiner Spielzeiten als Aktiver erzielte Christ, der am Montag seinen 34 Geburtstag feiert, 20 oder mehr Tore. Beinahe wäre es dem Goalgetter im hohen Fußballalter gelungen, seine Bestmarke aus Verbandsligazeiten beim Offenburger FV zu knacken. „Er hat damals 36 Buden gemacht und uns in die Aufstiegsrelegation geschossen“, erinnert sich Sascha Reiß zurück. Der Trainer des Oberligisten SV Linx kennt Christ bereits aus seiner Zeit bei den Junioren des SC Freiburg.
Profi-Angebote aus München und Stuttgart ausgeschlagen
Eine Verletzung verhindert, dass zu seinen 31 Saisontoren in der laufenden Saison noch weitere hinzukommen. So war das 4:2 seiner SG Hecklingen-Malterdingen gegen den FV Sasbach, bei dem Christ doppelt traf, am vergangenen Sonntag das letzte reguläre Ligaspiel des Angreifers. Auf seine letzten Wochen als aktiver Mittelstürmer kann der verheiratete Familienvater stolz zurückblicken: Er traf in jeder der vergangenen acht Partien.
In Zukunft möchte sich Christ, der in der Region auch für den Bahlinger SC, Freiburger FC, SC Freiburg, FC Denzlingen, FC Emmendingen und Offenburger FV aktiv war, mehr der Familie widmen. Wann und in welcher Form er als Trainer zurückkehren wird, steht für ihn noch in den Sternen: „Das lasse ich auf mich zukommen.“ So ganz raus aus dem Fußballgeschäft ist Christ auch nach dieser Saison nicht: „Ich werde der SG Hecklingen als Sportvorstand erhalten bleiben.“ Sascha Reiß vermutet ohnehin: „Wer den Fußball so liebt wie Alex, wird es nicht ganz ohne aushalten.“ Auf ein Gefühl, nach dem er schon ein wenig süchtig sei, muss Christ in Zukunft verzichten: „Ein Tor zu schießen mit all den damit verbundenen Emotionen, das wird mir ebenso wie das ganze Drumherum fehlen.“
Es nicht selbst langfristig in den Profibereich geschafft zu haben, beschäftigt Christ selten: „Mit Anfang 20 trainierte ich beim drittklassigen FSV Oggersheim unter Profibedingungen. Hätte ich damals eine andere Entscheidung getroffen, wer weiß, vielleicht hätte es geklappt.“ Der junge Alexander Christ hatte sich auf sein Bauchgefühl verlassen und Angebote des TSV 1860 München und des VfB Stuttgart ausgeschlagen, da er seine Chance auf Spielzeit in Oggersheim höher einschätzte. „Kurz bevor die Saison losging, verpflichtete der FSV sechs Stürmer, darunter den bulgarischen Nationalspieler Georgi Donkov. Da hatte ich dann natürlich einen schweren Stand.“ Christ selbst bezeichnet Rino Saggiomo, aktuell beim FC Denzlingen, als den besten Kicker, mit dem er gemeinsam spielte: „Was er schon in jungen Jahren am Ball konnte – Wahnsinn. Leider hat er es nie ganz geschafft.“
Mehr als den Torjäger werden gegnerische Teams in Zukunft den Menschen Alexander Christ am Fußballplatz vermissen. Sascha Reiß sagt: „Alex ist ein ganz feiner Kerl, der für Bodenständigkeit und Identifikation mit der Region steht.“
Autor: Lukas Karrer (BZ) Bild: Ingo Umhauer
(Quelle: https://www.fupa.net/berichte/sg-hecklingenmalterdingen-suedbadens-strafraeume-werden-wied-2371106.html)